Traitté de la peinture, de Léonard de Vinci
Autor Fréart de Chambray, Roland ;
Titel Traitté de la peinture, de Léonard de Vinci
Untertitel donné au public et traduit d'italien en françois par R. F. S. D. C.
Publikationsjahr 1651
Publikationsort Paris
Verlag/Herausgeber J. Langlois
Sprache Französisch
Illustrationen Ja
Beschreibung

Die von Leonardo geplante Zusammenfassung seiner theoretischen Schriften (hauptsächlich Notizen zu Vorlesungen sowie Mitschriften und Kopien seiner Studenten) zu einem trattato della pittura wurde erst nach seinem Tode durch seinen Schüler Francesco Melzi um 1550 (heute bekannt als Codex Vaticanus oder Codex Vaticanus Urbinas, da er einmal den Herzogen von Urbino gehörte, sich aber heute im Vatikan befindet) zusammengestellt. Vasari, Lomazzo, Cellini und Sebastiano Serlio sollen davon, wenigstens teilweise, Kenntnis gehabt haben. Publiziert werden diese Unterlagen, jedoch erst viel später als Schriftenkonvolut: Die erste vollständige Ausgabe nach diesem Codex Vaticanus ist die von Manzi, Rom 1817. Alle vorhergehenden (italienischen, französischen, spanischen, deutschen und englischen) Ausgaben sind nicht komplett und enthalten meistens nur die Manuskripte der Bibliotheca Ambrosiana,
Mailand und der Bibliotheca Barberini in Florenz. Als Referenz, auch für französische Ausgaben, gilt die vollständige deutsche Ausgabe von H. Ludwig in den Quellenschriften für Kunstgeschichte 15–17, 3 Bde., Wien 1882. Die madrilenischen Manuskripte sind erst im 20. Jh. gefunden worden (vgl. Pedretti 1968). Da die einzelnen Kapitel und durchnummerierten Unterteilungen im Codex Vaticanus scheinbar zusammenhanglos nebeneinander stehen, nimmt sich jeder Bearbeiter das Recht heraus, eine ihm logisch erscheinende Strukturierung der Texte herzustellen, so dass es schwer ist, zwischen einzelnen Ausgaben eine Konkordanz herzustellen. Bis 1956 entstanden ca. 56 Ausgaben in den verschiedenen Sprachen.

Das Trattato della pittura ist hauptsächlich von kunsttheoretischem Inhalt. Besprochen werden Anatomie, Proportionslehre und Perspektive, der Paragone Skulptur und Malerei, Parallelen zwischen Malerei und Poesie, wie auch Parallelen zwischen Malerei und Musik. Bewegung und Ausdruck in der Malerei sind als eigene wichtige Kapitel aufgeführt, werden aber auch in den Abschnitten über die Darstellung des Kopfes und der Figur wieder eingeflochten. Die Beschreibung der Herstellung von Skulpturen ist in den Paragone zwischen Malerei und Skulptur eingebettet. Dem Bildhauer wird jeder wissenschaftliche Rang abgeschrieben, dieser wird nur den Arbeiten am Relief zugesprochen, da hier die Beherrschung der Perspektive vorausgesetzt wird! 

In den Besprechungen zur Malerei stützt sich Leonardo auf die Zentralperspektive von Alberti. Licht, das Verhältnis Farbe zu Licht, Reflexe des Lichtes und Glanz sowie Schatten, Schattenfarben, Reliefs, Umrisse, Chiaroscuro und Sfumato werden eingehend besprochen. Hinweise zur Farbgebung für Landschaft, Berge, Gesichter, Kleider usw. nehmen einen wichtigen Platz ein und zeugen vom Reichtum und der Eigenständigkeit der Beobachtung Leonardos. In seiner Farbenlehre zählen Weiss und Schwarz jedoch noch nicht zu den Farben, erst Roger de Piles erhebt Licht und Schatten in seiner Cromatica in den Rang von Farben (De Piles 1660 – 1675).

Die Notizen über die Farben enthalten einige wenige technische Hinweise, die das praktische malerische Verständnis Leonardos wiedergeben, bilden aber in sich kein abgerundetes Traktat. Besprochen werden Farben, Farbmischungen und Farbkombinationen. Dabei ist der werkstoffliche Aspekt der Farbmittel und ihre technische Anwendung zusammenhanglos eingebaut, empirisch gewonnene naturwissenschaftliche Erkenntnisse stehen neben rein kunsttheoretischen und kunstphilosophischen Fragmenten. Hinweise wie: « Wenn der Grünspan, in Öl angerieben, nicht mit einem Firnis überzogen wird, wird sich seine Schönheit in Rauch auflösen und sich vom Bild ablösen, weil bei feuchtem Wetter das Salz, mit dem der Grünspan gemacht ist, sich spielend auflöst », sind selten. Sie belegen die Unmittelbarkeit der Beobachtungen Leonardos, die weit über alles früher Geschriebene hinausgehen ( « durch die zwischen Auge und Objekt liegende Luft bedingt, wird kein Körper jemals vollständig in seiner wahren Farbe wahrgenommen » ). Weiter sind enthalten: technische Hinweise auf die Vorbereitung der Bildträger der Tafelmalerei mit Malschichtaufbau, Holztrocknung zur Prävention der Risse ( Holztafeln oder –figuren werden in Wasser gekocht = übernommen von Cennini ), Nennung einiger Werkstoffe ( Öle, Grünspan, Zinnober ), Firnisse ( Nussöl + Bernstein; Nussöl mit Sandarak ) und ihrer Anwendungsweise. Eine interessante Beschreibung von Malerei auf ungrundiertem Gewebe gibt Hinweise auf Tüchleinmalerei ( No 514 der Ausgabe Ludwig ). Wenige Hinweise über die Ausbildung der Maler, ihre Arbeitsorganisation und die Instrumente ihrer Arbeit sind in den Text eingebunden. Leonardo ist der grosse Initiator des ( später akademisch ) geordneten Studiums und kritisiert die blosse Werkstattlehre « Studia prima la scientia, e poi seguita la practicha nata da essa scientia». Er formuliert auch methodische Richtlinien für die Übungen der Anfänger, die noch das Curriculum der Künstlerausbildung im Barock prägen sollten. Aufgrund der Leistungen, die die Zöglinge u.a. beim Zeichnen « nach dem Leben » erbrachten, vergaben nunmehr anstelle der Zünfte die Akademien selbst die Meistertitel und Arbeitsgenehmigungen.

Das Trattato della pittura hatte auch an der Académie Royale in Paris grossen Einfluss. Charles Le Brun setzte es während seiner Lehrtätigkeit (ab 1648) durch (voilà le livre dont il faut se servir) gegen die Traktate und Überzeugungen von Abraham Bosse. Ab 1662 nannte Roland Fréart de Chambray das Trattato die Regel der Kunst und le guide de tous les vrais peintres ( das Vorbild aller echten Maler ).

 

Editio Princeps in der französischen Ausgabe übersetzt von Roland Fréart de Chambray.

Ausgaben
Ital. Ausgaben: Appresso Giacomo Langlois, Paris 1651 ( Text von Raphaël Trichet du Fresne, mit 16 Stichen nach Zeichnungen von Nicolas Poussin ) / Giacomo Langlois, Paris 1701 / Nachdruck der Ausgabe Paris 1651: Paris 1755 und Raffaelle du Fresne, Instituto delle Scienze, Bologna 1786 | F. Fontani, bei Iacopo Grazioli, Florenz 1792 | Societa Tipografica de Classici Italiani, Milano 1804 | C. Baduel, Perugia 1805 | Guglielmo Manzi, Rom 1817 ( = erste Ausgabe nach dem Codex Vaticanus ) | mit Vorwort von Marco Tabarrini und der Biographie Leonardos von Gaetano Milanesi, Roma 1890 ( Ristampa anastatica, Finedim s.r.l., Roma 1989 ).
Frz. Ausgaben: Léonard de Vinci: Traité de la peinture de Léonard de Vinci donné au public et traduit d’italien en françois par R. F. S. D. C. ( Roland Freart Sieur de Chambray ), de l’imprimerie de Jacques Langlois, Paris 1651 | Nouvelle édition revûe et corrigée: Augmentée de la vie de l’autheur, I–II, chez François Giffart, Paris 1716 | Deterville, Paris 1796 | Perlet, Paris 1803 | Delagrave, Paris 1910 | Chastel, A.; Klein, R.: Léonard de Vinci, Traité de la peinture. Traduit et reconstruit pour la première fois à partir de tous les manuscrits. Paris 1960 | Keller, André: Le Traité de la peinture de Léonard de Vinci. Chez Jean de Bonnot, Paris 1977 ( Nachdruck der ital. Ausgabe von Bologna 1786, die nach der Ausgabe von Rafael Du Fresne, Paris 1651, mit 16 Stichen von Nicholas Poussin gedruckt wurde ).
Dt. Ausgaben: Tractat von der Mahlerey. Aus dem Italiänischen und Frantzösischen in das Teutsche übersetzet; Auch nach dem Original mit vielen Kupfern und saubern Holtzschnitten versehen, Hg. von J. G. Böhm, bei Weigel, Nürnberg 1724–1747 | Referenz für die Schriften von Da Vinci: Das Buch von der Malerei, nach dem Codex Vaticanus ( Urbinas ) 1270. Hg., dt. Üs. und kommentiert von H. Ludwig in: Quellenschriften für Kunstgeschichte ... 15–17, 3 Bde., Wien 1882 ( Reprint Verlag Zeller, Osnabrück 1970 / 71 ) | Herzfeld, Marie ( Hg. ): Leonardo da Vinci. Traktat von der Malerei. Diederichs, Jena 1909.
Engl. Ausgaben: Leonardo da Vinci: A treatise of painting, translated from the original Italian, and adorn’d with a great number of cuts, to which is prefix’d the author’s life; done from the last edition of the French, Printed for J. Senex & W. Taylor, London 1721 | 1796, 1802, 1835 und 1877 | Textausgabe von McMahon, A.Ph.: Treatise on Painting by Leonardo Da Vinci. Princeton University Press, Princeton 1956, 2 Vol. / Vgl. auch: Pedretti, C.: Leonardo da Vinci on Painting. A lost Book (Libro A). Berkeley and Los Angeles 1964 (mit der Geschichte des Trattato della pittura und den Konkordanzen zwischen den verschiedenen Manuskripten) / Pedretti, C.: Le note di pittura di Leonardo da Vinci nei manoscritti inediti a Madrid, in: Lettura Vinciana VIII, Firenze 1968..
Span. Ausgabe: Madrid 1784.
Erstausgabe Trattato della pittura / Codex Vaticanus Urbinas Latinus 1270 (1550) von Da Vinci, Leonardo
Bezug zu anderen Quellen
Referenzen
Verfasser FM
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