Die Erschliessung kunsttechnologischer Quellen in Schrift und Bild

Einleitung – Die Entstehung der Datenbank

Historische Schriften in Universitäts-, Zentral- und Stiftsbibliotheken liefern wesentliche Erkenntnisse zu den Herstellungsprozessen und den verwendeten Materialien in Kunst und Kunsthandwerk. Mit welchen Malmitteln wurden beispielsweise in den Schreibstuben der Klöster die Bücher beschriftet und bemalt? Wie stellt man einen guten, dauerhaften Firnis her oder wie gestaltet sich die Herstellung von Glas? Welche Bindemittel eignen sich für welche Pigmente? Wie beugte man in früherer Zeit Alterungsprozessen bereits bei der Herstellung von Kunstwerken und Artefakten vor?

Informationen in Schrift und Bild zu diesen Fragen finden sich nicht nur in Quellenschriften aus dem Bereich des historischen Kunstbetriebs, etwa in Werkstattanleitungen oder Rezeptbüchern, sondern auch in den entlegener erscheinenden Büchern der Pharmakologie, der Botanik, des Bergwerksbaus, sowie in Werken der sogenannten Hausväterliteratur und in frühneuzeitlichen Wissenschafts- bzw. Erfindungsbüchern und Enzyklopädien.

Der Restaurator und Kunsttechnologe Christophe Zindel ist ausgewiesener Experte der Quellenforschung und hat zahlreiche Schriften dieser Art als Schätze gehoben und zusammengetragen. Bereits im Jahr 2010 publizierte er ein Buch unter dem poetischen Titel „Die Güldene Kunst-Pforte“. Darin kompilierte er zahlreiche mehr oder weniger bekannte Quellen, bibliografierte und kommentierte sie (hier kann die Publikation erworben werden). Die Informationen zu den darin verzeichneten Quellen wurden hier in digitaler Form zugänglich gemacht.

Von 2015 – 2019 trug Zindel weitere Quellen in Schweizer Bibliotheken zusammen. Dies geschah im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten und im Forschungsbereich „Materialität in Kunst und Kultur“ der Hochschule der Künste Bern (HKB) beheimateten Forschungsprojekt „Die Erschliessung kunsttechnologischer Quellen in Schrift und Bild“ (http://hkb.bfh.ch/quellenforschung).

Dieses reiche Material steht nun gesamthaft in der Digitalen Kunst-Pforte als einem zeitgemässen Rechercheinstrument zur Verfügung. Die Quellen sind mit einem speziellen Thesaurus beschlagwortet und mit Beschreibungen zu ihrem kunsttechnologischen Gehalt versehen. Die Digitale Kunst-Pforte stellt damit einen Ort dar, an welchem Informationen zu mehr als 500 kunsttechnologisch relevanten historischen Quellen (Text und Bild) im Netz abgerufen werden können. (Hier können Sie sich über die genaue Funktion der Datenbank informieren)

Historische Texte und Bildmaterialien von kunsttechnologischer Relevanz sind komplexe Informationsquellen für Kunsthistoriker, Kunsttechnologen, Restauratoren, Kunsthandwerker und Architekten. Einige kunsttechnologische Quellen liefern höchst akkurate, praxisbezogene Rezepturen und Beschreibungen von technischen Herstellungsvorgängen (z. B. Cennino Cennini, Theophilus Presbyter). Diese Quellen setzen teils umfangreiche technische Kenntnisse des Lesers voraus und dienten möglicherweise als Memorandum für den Praktiker. Andere wiederum sind literarische Zusammenstellungen (z. B. die Mappae clavicula). Beide Typen von Quellen können aus älteren Texten übernommen worden sein und somit sowohl orale als auch schriftliche Vorläufer verarbeiten. Es war nicht unüblich, vorhandene Rezepte bei der Übertragung oder Neuausgabe zu kommentieren, zu korrigieren und zu ergänzen. Seit dem 16. Jahrhundert wurden die Texte zunehmend mit Illustrationen versehen. Diese übernahm man ebenfalls für Neuausgaben, kopierte und adaptierte sie dem Zeitgeschmack und passte sie dem aktuellen technischen Stand an (z. B. Johannes Kunckel, Ars Vitraria). Aus diesen Übertragungsformen ergeben sich für die Nachwelt weitere text- und bildkritische Informationsebenen.

Seit dem 19. Jahrhundert bemühten sich Kunsthistoriker und Kunsttechnologen (z. B. Mary P. Merrifield, Rudolf Eitelberger von Edelberg) um Übersetzungen bedeutender historischer Quellenschriften in moderne Sprachen und um ihre textkritische Edition. Diese Autoren erfüllten bereits wissenschaftliche Standards nach heutigen Erfordernissen. Ihre Publikationen können mittlerweile ihrerseits als historische Quelle gelten, indem sie Aufschluss geben über den Kenntnisstand der Herausgeber*innen.

Historische Quellentexte und Darstellungen künstlerischer Herstellungsverfahren sind von erheblichem Interesse für Kunsttechnolog*innen, Restaurator*innen, Konservator*innen und Kunsthistoriker*innen. Sie könne Auskunft geben darüber, wie heute erhaltene Kunstwerke entstanden sind, aus welchen Bestandteilen sie sich zusammensetzen und erlauben so Rückschlüsse darüber wie die verwendeten Materialien gealtert sind. Entsprechend ergänzen kunsttechnologische Quellen die naturwissenschaftliche Analyse und erweitern diese um eine historische Dimension. Kunsttechnologische Quellentexte und Darstellungen liefern auch wertvolle Informationen für praktizierende Künstler*innen, Kunsthandwerker*innen und Architekt*innen. Sie können konkrete Informationen geben zu traditionellen Materialien sowie zu ihrer damaligen Gewinnung und Anwendung. Für Historiker*innen, Soziolog*innen und Sprachwissenschaftler*innen erlauben sie wiederum Rückschlüsse auf den sozialen und historischen Kontext, in dem diese Texte entstanden und die Künstler bzw. Kunsthandwerker tätig waren. Diese Forscher*innen suchen zudem Hinweise zum gesellschaftlichen Hintergrund der Autor*innen und untersuchen sprachliche Besonderheiten. Die Erscheinungsorte von Publikationen und die unterschiedlichen Auflagen mit ihren Inhalten können indirekt Aufschluss geben über das historische Netzwerk, den Wissenstransfer und den Handel: Wie entstand eine bestimmte Rezepttradition? Deckte sich die Häufigkeit eines bestimmten Rezeptes (z. B. Zinnober) mit einer einfachen Zugänglichkeit zu diesem Pigment? Vor welchem Hintergrund gab man Anleitungen, wertvolle, originale Substanzen von minderwertigeren Imitationen zu unterscheiden (z. B. bei Gold und Ultramarin)? Warum wurden dunkle, magische Rezepte tradiert, obwohl sie nicht praktisch umsetzbar waren? Warum schrieb man sie dennoch voneinander ab, wohl wissend, dass die wiedergegebene Rezeptur nicht oder nur bedingt praktikabel war?

Vor dem Hintergrund der Technical Art History und im Bestreben, Rezepturen zu erforschen, sie zu reflektieren und durch die moderne Praxis und naturwissenschaftliche Methodik genauer zu überprüfen, liefert die Digitale Kunst-Pforte grundlegende Informationen. Sie kann in dieser Form einen Beitrag zu aktuellen Forschungsfragen leisten. 

Obwohl – oder gerade weil – eine Datenbank einen funktionierenden Internetzugang benötigt, erlaubt sie eine den modernen Bedürfnissen angepasste Recherche. Mit Hilfe von Kategorien wie „Autor“, „Bilder“, „Volltextsuche“ liefert sie schnell und unkompliziert sowohl für Fachleute als auch für interessierte Laien Informationen zu historischen Herstellungsverfahren und ihren Akteuren. Per Mausklick gelangt man zu weiterführenden Links und Materialien. Die Digitale Kunst-Pforte erlaubt zugleich eine präzise Suche nach bestimmten Informationen ebenso wie ein „Surfen“ in der Datenbank nach Auskünften, die man vielleicht bisher nicht im Fokus hatte.

Die im Rahmen des Forschungsprojekts gewonnen Daten wurden – wie weiter oben bereits erwähnt – in der vorliegenden eigens dafür entwickelten online-Datenbank zusammengetragen. Als Basis diente die bereits erwähnte wegweisenden Publikation Christophe Zindels, die „Güldene Kunst-Pforte“ (Hier können sie die Publikation erwerben) Für die Buchpublikation im Jahr 2010 bibliografierte, inventarisierte und beschlagwortete Zindel bereits zahlreiche wichtige kunsttechnologische Quellen. Diese wurden hier ergänzt um die durch Zindel im Rahmen des Projekts neu aufgefundenen Quellen.

Ziel der Digitalen Kunst-Pforte ist dabei nicht in erster Linie, einzelne Rezepte auszuwerten. Vielmehr sollen Informationen zur Verfügung gestellt werden, die Texte, Bilder, Rezepturen und Anweisungen in einen Zusammenhang bringen und Hinweise geben, wo die Quellen und weiterführende Informationen aufzufinden sind. Die fortschreitende Digitalisierung erlaubte dann auch, wo vorhanden, Links zu Bibliotheken oder bestehenden Digitalisaten einzufügen (Hier können sie sich über die Struktur und Funktionsweise der Datenbank informieren).

Gemäss Zindels bewährtem methodischen Ansatz wurden kunsttechnologisch relevante Quellenschriften und Bilder von der Antike bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die Digitale Kunst-Pforte aufgenommen. Wie bereits in der „Güldenen Kunst-Pforte“ wurde auch hier der Rahmen der Sammlung dadurch eingeschränkt, dass nur gebundene Schriften (Manuskripte und gedruckte Bücher) berücksichtigt wurden. Archivarische Belege, Briefe, Verkaufskataloge etc. wurden nicht aufgenommen. Neu dazu kam die Kategorie der „Bilder“.

Gemäss dem Forschungsprojekt wurde neben dem Auffinden bislang nicht erfasster kunsttechnologischer Schriften ein Schwerpunkt auf Bilder und Illustrationen gelegt, die ebenfalls als kunsttechnologische Quellen dienen können. Dafür wurde eigens eine Bilddatenbank angelegt, die eine grössere Datenmenge für die Recherche leicht zugänglich machen kann. Inhaltlich finden sich zwei Schwerpunkte in den Bilderquellen, die ihren Ursprung in den Unterprojekten des Forschungsprojektes haben.

Zum einen beschäftigt sich Prof. Dr. Anne Krauter intensiv mit der „Ars Vitraria Experimentalis“ des Johannes Kunckel und ihren diversen Neuauflagen.

Zum anderen beschäftigt sich das Dissertations-Projekt von MA Franca Mader unter dem Titel „Skulptur und Plastik in Darstellungen und Quellenschriften des 16.-18. Jh. – Untersuchungen zu Techniken, Theorien und sozialer Stellung des Bildhauers anhand von zeitgenössischen Dokumenten.“ Eingehender mit Darstellungen von bildhauerischen und plastischen Prozessen in der frühen Neuzeit. 


Mitglieder des Forschungsteams

Prof. Dr. Anne Krauter (Projektleitung)

Dipl. Rest. Christophe Zindel

MA Franca Mader (Dissertandin)

admin@digitale-kunst-pforte.ch

MA Deborah Gos

MA Valentine Yerly 

Kooperationspartner

 

Update

Das SNF Projekt „Die Erschliessung kunsttechnologischer Quellen in Schrift und Bild“ lief von 2015-2019. Die Digitale Kunst-Porte wird von den Projektmitarbeitenden an der Hochschule der Künste Bern (HKB) weiterhin betreut, neue Forschungsergebnisse sowohl aus der Lehre als auch aus neuen Forschungsprojekten fliessen in die Digitale Kunstpforte ein.